Freiburger Fenster am 21.01. um 20 Uhr im Koki: Die Alsterdorfer Passion

„Die Alsterdorfer Passion“
– Die Alsterdorfer Anstalten 1945-1979
Bertram Rotermund, Rudolf Simon (D 2018,
58 Minuten)

Ausgehend von den Euthanasieverbrechen im Nationalsozialismus – mehr als 600 behinderte Bewohner wurden in die Tötungsanstalten der Nazis deportiert – zeichnet der Film die Geschichte der Alsterdorfer Anstalten bis in die 80er Jahre nach. Noch lebenden ehemalige Bewohnern und Mitarbeiter berichten aus dieser Zeit. Anhand von Fotos, Dokumenten und historischen Filmaufnahmen wird die Atmosphäre und der Geist der damaligen Zeit wieder sichtbar.

Auch nach Kriegsende änderte sich dort wenig. Zwar mussten die leitenden Personen gehen, bestraft wurde aber keiner. Das gesamte Personal (fast alle waren Mitglieder der SA oder anderer Gliederungen der NSDAP) blieb, und mit ihnen die Massenquartiere, kollektive Hygieneverrichtungen, Aufhebung jeglicher Intimsphäre sowie direkte Gewalt in Form von Essenentzug, Schlägen, Fixierungen und Einsperren.

Erst nachdem Ende der 70er Jahre jüngere Mitarbeiter und Zivildienstleistende die menschenunwürdigen Zustände anprangerten, setzte ein Paradigmenwechsel ein. Es entstanden neue Konzepte in der Behindertenhilfe.

„Ich finde bereits die Wahl des Titels »Alsterdorfer Passion« überaus klug und angemessen. Der einstündige Film ist lehrreich, bedrückend und beglückend, sofern dieses Wort in Zusammenhang mit einem derart düsteren Kapitel der deutschen Psychiatriegeschichte überhaupt erlaubt ist. (…) Es geht in diesem Film vor allem um die Jahre 1945 bis 1975 und um die kaum fassbare Leidensgeschichte der Anstaltsbewohner.

Deren Martyrium ist auch im Rückblick nur schwer auszuhalten. Männer und Frauen schildern, wie sie über Monate und Jahre hinweg festgebunden, eingesperrt und gequält wurden. (…) Nur wenige Mitarbeiter haben 1975 Veränderungen gefordert; sie scheiterten zunächst und fanden dann immer mehr Mitstreiter. Wie erfreulich, dass ein ZEIT- Artikel »Die Gesellschaft der harten Herzen« im Jahr 1979 den Umschwung brachte.“

(Ilse Eichenbrenner, Zeitschrift „Soziale Psychiatrie“) Nach der Vorführung findet ein moderiertes Filmgespräch mit Bertram Rotermund statt. Er war bis 1991 Mitglied der Medienwerkstatt Freiburg und lebt seitdem in Hamburg.